Frankfurter Allgemeine Zeitung, 01.07.2013, Nr. 149, S. 22
Für ein Stück vom Software-Kuchen
Usedsoft AG kämpft immer noch gegen Widerstände
magr. FRANKFURT, 30. Juni. Vor zwei Monaten erfuhr der Gebrauchtsoftwarehändler Usedsoft einen Ritterschlag, wie ihn nur das Internet bietet. Im Rahmen der legendären amerikanischen Technikgesprächsreihe "Ted" stellte die italienische Juristin Simonetta Vezzoso die Geschichte von Usedsoft und dessen Gründer Peter Schneider vor - "einen meiner persönlichen Helden", wie Vezzoso bei der Veranstaltung Ende April im norditalienischen Trient sagte. Die Italienerin lehrt an der dortigen Universität Wettbewerbsrecht und präsentierte den Usedsoft-Gründer als einen David, der erfolgreich gegen die Goliaths der globalen Software-Branche gekämpft habe. Der Höhepunkt dieser Auseinandersetzungen liegt inzwischen ein Jahr zurück. Am 3. Juli vergangenen Jahres entschied der Europäische Gerichtshof in einem wegweisenden Verfahren zwischen dem Software-Hersteller Oracle und Schneiders Usedsoft, dass es grundsätzlich erlaubt sei, mit gebrauchter Software zu handeln - und zwar unabhängig davon, ob diese Software auf einem Datenträger, etwa einer CD, gespeichert ist, oder sie der Erstkäufer über das Internet auf seinem Rechner installiert hat. In beiden Fällen erschöpfe sich das sogenannte Verbreitungsrecht des Software-Herstellers - und das macht Computerprogramme eben handelbar. Für Peter Schneider ist dieser Handel ein Jahr nach dem Urteil nach eigenen Angaben wieder ein einträgliches Geschäft. Wie viel er genau damit verdient, nicht mehr verwendete Lizenzen für Office-Pakete oder Betriebssysteme des Software-Hauses Microsoft von Unternehmen aufzukaufen und an andere weiterzuverkaufen, behält Schneider lieber für sich. "Seit Juli vergangenen Jahres hat sich unser Umsatz mehr als verdoppelt, und wir erwirtschaften solide Gewinne", sagt Schneider nur. Auch die Zahl der Käufer wachse wieder. "Vor dem Urteil haben wir drei neue Kunden in der Woche gewonnen, seitdem sind es drei am Tag. Und inzwischen sind wir nahe dran, in Europa 5000 Kunden zu haben." Es kehre Normalität in den Markt ein, "mit Betonung auf einkehren", wie Schneider es ausdrückt. "Wenn der Markt zehn Jahren lang verunsichert war durch lächerliche Gerüchte und Behauptungen, dann kann man sich auch vorstellen, dass das nicht in einem Jahr zu ändern ist." Seit November versucht auch Hans-Olaf Henkel, diese Änderung voranzutreiben. Der ehemalige Vorsitzende des Bundesverbandes der Deutschen Industrie ist zusammen mit dem früheren Siemens-Chef Heinrich von Pierer einer von zwei Verwaltungsräten der in der Schweiz sitzenden Usedsoft AG. Henkel und Pierer überwachen ähnlich einem deutschen Aufsichtsrat das Unternehmen. Nach Henkels Worten versuchen die etablierten Spieler auf dem Software-Markt weiter Usedsoft Barrieren in den Weg zu legen. "Mir sind ein paar Dinge zu Ohren gekommen, die zum Teil groteske Formen annehmen", sagt Henkel. "Es hat zum Beispiel Korrespondenzen zwischen Microsoft und Kunden von Usedsoft gegeben, in denen Microsoft die Briefe von der Abteilung für Software-Piraterie hat unterschreiben lassen. Das ist ein übler Trick, um Kunden vorzugaukeln, dass es sich bei den Lizenzen von Usedsoft um Piraterieprodukte handelt." Ein Microsoft-Sprecher teilt auf Anfrage mit, dass Usedsoft seinen Kunden regelmäßig verschweige, aus welchen Lizenzverträgen die gebraucht gekauften Lizenzen stammen und wer der ursprüngliche Lizenznehmer sei. "Ohne diese Information kann ein Usedsoft-Kunde keinen lückenlosen Lizenznachweis führen. Die Interessen von Microsoft vertritt in solchen Fällen die Anti-Piraterie-Abteilung." Es sei generell frustrierend zu sehen, mit welchen Mitteln Software-Hersteller versuchen, das Geschäft zu behindern, sagt dagegen Usedsoft-Verwaltunsrat Henkel. Doch sei auch zu spüren, dass der Widerstand kleiner werde. Sein Geschäftsführer Schneider glaubt indes nicht, dass Unternehmen wie Microsoft oder auch der Kreativprogrammentwickler Adobe mit Abomodellen für Software dem Handel die Geschäftsgrundlage nehmen könnten. Außerdem machen die neuen Cloud-Geschäftsmodelle "nicht die Milliarden Lizenzen obsolet, die ohnehin schon im Markt vorhanden sind", sagt Schneider. Und mit diesen Lizenzen will er weiter Geld verdienen. Auf seine Adelung als Goliath kann er nach eigenen Angaben übrigens verzichten. "Ich will hier nicht als Robin Hood für Arme berühmt werden und mich auch nicht am Goliath abarbeiten", sagt Schneider. "Ich will einfach nur vom großen Kuchen des Software-Marktes ein Stück abhaben."
Für ein Stück vom Software-Kuchen
Usedsoft AG kämpft immer noch gegen Widerstände
magr. FRANKFURT, 30. Juni. Vor zwei Monaten erfuhr der Gebrauchtsoftwarehändler Usedsoft einen Ritterschlag, wie ihn nur das Internet bietet. Im Rahmen der legendären amerikanischen Technikgesprächsreihe "Ted" stellte die italienische Juristin Simonetta Vezzoso die Geschichte von Usedsoft und dessen Gründer Peter Schneider vor - "einen meiner persönlichen Helden", wie Vezzoso bei der Veranstaltung Ende April im norditalienischen Trient sagte. Die Italienerin lehrt an der dortigen Universität Wettbewerbsrecht und präsentierte den Usedsoft-Gründer als einen David, der erfolgreich gegen die Goliaths der globalen Software-Branche gekämpft habe. Der Höhepunkt dieser Auseinandersetzungen liegt inzwischen ein Jahr zurück. Am 3. Juli vergangenen Jahres entschied der Europäische Gerichtshof in einem wegweisenden Verfahren zwischen dem Software-Hersteller Oracle und Schneiders Usedsoft, dass es grundsätzlich erlaubt sei, mit gebrauchter Software zu handeln - und zwar unabhängig davon, ob diese Software auf einem Datenträger, etwa einer CD, gespeichert ist, oder sie der Erstkäufer über das Internet auf seinem Rechner installiert hat. In beiden Fällen erschöpfe sich das sogenannte Verbreitungsrecht des Software-Herstellers - und das macht Computerprogramme eben handelbar. Für Peter Schneider ist dieser Handel ein Jahr nach dem Urteil nach eigenen Angaben wieder ein einträgliches Geschäft. Wie viel er genau damit verdient, nicht mehr verwendete Lizenzen für Office-Pakete oder Betriebssysteme des Software-Hauses Microsoft von Unternehmen aufzukaufen und an andere weiterzuverkaufen, behält Schneider lieber für sich. "Seit Juli vergangenen Jahres hat sich unser Umsatz mehr als verdoppelt, und wir erwirtschaften solide Gewinne", sagt Schneider nur. Auch die Zahl der Käufer wachse wieder. "Vor dem Urteil haben wir drei neue Kunden in der Woche gewonnen, seitdem sind es drei am Tag. Und inzwischen sind wir nahe dran, in Europa 5000 Kunden zu haben." Es kehre Normalität in den Markt ein, "mit Betonung auf einkehren", wie Schneider es ausdrückt. "Wenn der Markt zehn Jahren lang verunsichert war durch lächerliche Gerüchte und Behauptungen, dann kann man sich auch vorstellen, dass das nicht in einem Jahr zu ändern ist." Seit November versucht auch Hans-Olaf Henkel, diese Änderung voranzutreiben. Der ehemalige Vorsitzende des Bundesverbandes der Deutschen Industrie ist zusammen mit dem früheren Siemens-Chef Heinrich von Pierer einer von zwei Verwaltungsräten der in der Schweiz sitzenden Usedsoft AG. Henkel und Pierer überwachen ähnlich einem deutschen Aufsichtsrat das Unternehmen. Nach Henkels Worten versuchen die etablierten Spieler auf dem Software-Markt weiter Usedsoft Barrieren in den Weg zu legen. "Mir sind ein paar Dinge zu Ohren gekommen, die zum Teil groteske Formen annehmen", sagt Henkel. "Es hat zum Beispiel Korrespondenzen zwischen Microsoft und Kunden von Usedsoft gegeben, in denen Microsoft die Briefe von der Abteilung für Software-Piraterie hat unterschreiben lassen. Das ist ein übler Trick, um Kunden vorzugaukeln, dass es sich bei den Lizenzen von Usedsoft um Piraterieprodukte handelt." Ein Microsoft-Sprecher teilt auf Anfrage mit, dass Usedsoft seinen Kunden regelmäßig verschweige, aus welchen Lizenzverträgen die gebraucht gekauften Lizenzen stammen und wer der ursprüngliche Lizenznehmer sei. "Ohne diese Information kann ein Usedsoft-Kunde keinen lückenlosen Lizenznachweis führen. Die Interessen von Microsoft vertritt in solchen Fällen die Anti-Piraterie-Abteilung." Es sei generell frustrierend zu sehen, mit welchen Mitteln Software-Hersteller versuchen, das Geschäft zu behindern, sagt dagegen Usedsoft-Verwaltunsrat Henkel. Doch sei auch zu spüren, dass der Widerstand kleiner werde. Sein Geschäftsführer Schneider glaubt indes nicht, dass Unternehmen wie Microsoft oder auch der Kreativprogrammentwickler Adobe mit Abomodellen für Software dem Handel die Geschäftsgrundlage nehmen könnten. Außerdem machen die neuen Cloud-Geschäftsmodelle "nicht die Milliarden Lizenzen obsolet, die ohnehin schon im Markt vorhanden sind", sagt Schneider. Und mit diesen Lizenzen will er weiter Geld verdienen. Auf seine Adelung als Goliath kann er nach eigenen Angaben übrigens verzichten. "Ich will hier nicht als Robin Hood für Arme berühmt werden und mich auch nicht am Goliath abarbeiten", sagt Schneider. "Ich will einfach nur vom großen Kuchen des Software-Marktes ein Stück abhaben."